Dank Einstein wissen wir: “Zeit ist relativ”. Und die meisten von uns würden behaupten: “relativ knapp”. Das tägliche prüfen der Uhrzeit verrät uns meistens eins: Die Fülle der Aufgaben ist in der kurzen Zeit nicht zu schaffen. Stress, Termindruck, Unbehagen… Jeder kennt die daraus resultierenden Gefühle. Eins haben sie alle gemein: sie sind unangenehm. Doch was lässt sich dagegen tun? Schließlich müsste ja jeder in der gleichen Situation sein, warum ist dann also keine kollektive Lösung bekannt? Eines steht dabei fest, mehr Zeit zu erschaffen funktioniert nicht. Die eigene Einstellung zur Zeit ändern, dagegen schon.
Die einen schuften rund um die Uhr, die anderen tracken jede Aufgabe minutiös und manche scheint der Mangel an Zeit überhaupt nicht zu tangieren. Obwohl sich das wertvolle Gut Zeit nicht unterscheidet, tun dies die verschiedenen Zeit-Typen ganz erheblich. In dem Artikel “How to Be More Productive by Hacking Your Perception of Time The evolution of time management in 5 stages and 3 epiphanies” von Dr. Adam Bell ist von 5 verschiedenen Phasen bzw. Typen die Rede.
Man ist nicht Herr über die eigene Zeit. Egal wie unangenehm der Rhythmus auch sein mag, alle eigenen Aktivitäten, allen voran der Schlaf, werden an die Verpflichtungen angepasst. Die daraus resultierenden Mängel sind enorm. Gerade Schichtarbeiter leiden hier oftmals unter gestörten Schlafrhythmen, um nur eine Folge zu nennen. Aus meiner Sicht kann der menschliche Körper diesen Zustand nicht lange ohne gesundheitliche Folgen durchstehen. Egal was man für die eigene Zeitwahrnehmung tun kann – die oberste Priorität sollte sein, diesen ungesunden Zustand zu verlassen. Um mehr über die eigene Zeit bestimmen zu können, führen viele ein bekanntes Tool ein: Die Zeiterfassung.
Viele Selbstständige werden es kennen – ist man für die eigene Zeiteinteilung zuständig, möchte man nach Möglichkeit das Maximum daraus machen. Da ist es doch nahe liegend, die eigene Zeitverteilung genauestens zu messen. Schwachstellen erkennen, Potentiale nutzen, Zeitfresser eliminieren – das klingt im ersten Schritt alles sehr sinnvoll. Doch was bleibt? Das Gefühl, aus jeder freien Minute maximale Effektivität / Produktivität herauszuquetschen, kann auf lange Sicht nicht gut gehen. Wenn man aus dieser Phase etwas lernen kann, dann folgendes: Bewusst mit der eigenen Zeit umgehen und diese als kostbares Gut ansehen, welches für die Dinge eingesetzt werden soll, welche man persönlich für wichtig hält. Was daraus nie werden sollte, ist die Mutation in eine Time-Tracking-Maschine. Gerade kreative Tätigkeiten leiden enorm unter der Vorstellung, jede freie Minute müsse nützlich eingesetzt werden. Was aus Phase 2 folgt, ist eine Lockerung:
Der smarte Zeiteneinteiler unterteilt die anstehenden Tagesaufgaben in kleine Stücke, welche dann nach und nach in Angriff genommen werden. Zwischen jeder Einheit wird eine Pause eingelegt. Beispielsweise anhand der Pomodoro Technik: 25 Minuten Produktivität, 5 Minuten Pause. Klingt schon deutlich entspannter, als Typ 2, welcher die 5 Minuten vielleicht mit etwas Anderem gefüllt hätte. Wie Bell in seinem Artikel schreibt, funktioniert diese Technik für den einen sehr gut, für den anderen überhaupt nicht. Negative Folgen könnten zum Beispiel die Unterbrechung des eigenen Workflows sein, welcher dann nach den 5 Minuten Pause erst gemächlich wieder ins Rollen kommt.
Wenn man sich anfangs schwer, kann die Variation des Arbeit-Pausen-Verhältnisses helfen. Für Bell hat hier der Ultradiane Rhythmus Abhilfe geschaffen. Dieser orientiert sich an den körpereigenen Rhythmen und fühlt sich für viele natürlicher an. Hierzu gibt es auch einen Artikel von Brad Buzzard mit dem Titel “Avoid Burnout and Increase Awareness Using Ultradian Rhythms: Circadian rhythms’ lesser know cousins may hold the key to a more fruitful day“.
Buchtipp: Wer sich für den Schlafrhythmen interessiert, dem sei das Buch “Der Zirkadian-Code: Erholsam schlafen, Gewicht reduzieren, gesund sein.” von Satchin Panda empfohlen.*
Zurück zu Bell: dieser hat für sich einen 90 zu 20 Rhythmus entdeckt, mit dem er die besten Ergebnisse erzielt hat. Das heißt 90 Minuten “Tätigkeit” und 20 Minuten Pause. Was man in diesen 20 Minuten tun kann? Beispiele sind Spazieren gehen, Körperübungen, Meditieren, Musik hören, usw.
Doch mit dem dritten Typen soll die Reise zu einem neuen Zeitgefühl noch nicht abgeschlossen sein, nagt an einem doch immer noch ein lastender Zeitdruck.
The single best productivity hack that everyone should aspire to — don’t keep a schedule.
Naval Ravikant
Bell geht für seinen nächsten Schritt auf den Entrepreneur Naval Ravikant ein, welcher rät, keinen Zeitplan einzuhalten. Klingt erstmal irrsinnig? Gut. Nimmt man jeglichen Zeitdruck aus dem Gesamtgefüge, entsteht erst einmal eine Lücke. Eine Lücke, welche Platz für etwas Neues schaffen kann. Alte Denkmuster, welche in unserem Gehirn schon fest verankert waren, können gelockert und mit einer neuen Art der Produktivität gefüllt werden. Wie diese Rechnung funktionieren kann? Durch die Abwesenheit des Zeitdrucks, steigt das eigene Wohlempfinden und damit auch die eigene Produktivität. Dies hat natürlich Auswirkungen auf das gesamte Leben – ein in Aussicht stehender Zugewinn also, für den es sich lohnt, die eigenen Strukturen zu überdenken.
Das größte Problem für Typ 4 ist das Zusammenspiel von eigenen Vorstellungen und gesellschaftlichen Strukturen, welche nicht so locker gehalten werden (können). Das führt uns zum fünften Typ.
Bell erkennt schnell – so großzügig wie er selbst, ist die Außenwelt mit dem seiner Zeit leider nicht. Sobald man sich in einem Gesamtgefüge mit anderen Menschen befindet, und dies ist meist immer der Fall, wird man unweigerlich von deren Routinen beeinflusst. Solange man nicht auf sich alleine gestellt ein Leben als Einsiedler führt, wird es immer Phasen geben, in denen man sich bestimmten Deadlines beugen muss.
Was bedeutet das für die eigene Einstellung zum Thema Zeit? Unausweichliche Deadlines sollten einen Hinweis auf eine (Neu-) Priorisierung geben, statt für den Körper ein Stress-Signal einzunehmen. Hat man einen bestimmten Termin, den man einhalten muss, so spielt die eigene Einstellung dazu also eine viel wichtiger Rolle, als viele bisher annehmen. Man darf sich hier nicht in die Lage begeben, dem Stress-Impuls nachzugeben. Vielmehr sollte man der Deadline stoisch entgegentreten, ohne sich zu sehr von Gefühlen überwältigen zu lassen. Denn wenn dies tatsächlich ein fixer Termin ist, dann rückt dieser unweigerlich näher, ob man sich stresst oder nicht.
Die Art und Weise, wie wir Zeit & Deadlines betrachten, ändert erst einmal nichts an der vermeintlichen Knappheit. Allerdings ändern sich die Folgen drastisch, wenn man den stressauslösenden Effekt reduzieren kann. Außerdem lassen sich noch ganz andere Aspekte feststellen, zum Beispiel die subjektive Schnelligkeit der Zeit. Hat man Spaß oder arbeitet man konzentriert an einer Sache, scheint die Zeit zu verfliegen. Dies liegt daran, weil wir uns nicht auf die Zeit per se konzentrieren. Möchte man den gegenteiligen Effekt erzielen, das heißt die Verlangsamung der Zeit, müssen wir uns auf das hier und jetzt konzentrieren.
Diverse Studien haben genau das belegt – Achtsamkeit kann dazu führen, dass sich Zeit für die jeweilige Person verlangsamt. Subjektiv kann dies dazu führen, dass scheinbar mehr Zeit zur Verfügung steht, da diese deutlich langsamer vergeht.
Regarding subjective time, mindfulness meditators experienced less time pressure, more time dilation, and a general slower passage of time.
Frontiers in Psychology
Zum Thema Achtsamkeit, Meditation und subjektive Wahrnehmung folgen weitere Blogartikel.
Sebastian Lochbronner
86830 Schwabmünchen
Deutschland